Dienstag, 2. Februar 2010
Wie es zum Massensterben in den Meeren der Trias kam
Interview mit dem österreichischen Paläontologen Dr. Alexander Lukeneder (Foto oben) - Kurator Mesozoikum, Geologisch-Paläontologische Abteilung, Naturhistorisches Museum Wien (NHM) -, der ein Wissenschaftlerteam leitet, das in den kommenden drei Jahren eine der größten Krisen in der Erdgeschichte erforscht. Hauptmitarbeiterin bei diesem Projekt ist M.Sc. Susanne Mayrhofer vom NHM.
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Frage: Herr Dr. Lukeneder, wie in den Medien zu lesen ist, erwarten Sie und Ihr Team neue und interessante Erkenntnisse über das große Massensterben in den Meeren der Triaszeit vor etwa 220 Millionen Jahren? Weiß man bereits, wodurch dieser weltweite Zusammenbruch der marinen Ökosysteme ausgelöst wurde?
Antwort: Lange Zeit galten auch in der Wissenschaft Meeresspiegelschwankungen als Hauptgründe für das Absterben von Rifforganismen während der Karnischen Krise. Heute gehen wir von mehreren möglichen Ursachen aus. Wärmeres und humideres (also feuchteres) Klima gilt als gesichert. Das wiederum bedeutet, durch die Abregnung, erhöhten Nährstoffeintrag in die Randmeere (Küste, Flachwasser) und durch die enorme Menge an Süßwasser eine Änderung der Salinität in den betroffenen Bereichen. Was wie man auch heute weiß, ist ja gerade die Salinität (Salzgehalt) ein bedeutender Faktor für die Verbreitung von marinen Lebewesen und nicht alle Organismen können sich auf eine Änderung der Salinität einstellen. Die Umstellung in der Salinität und einen erhöhten terrigenen Einfluss (Sedimenteintrag vom Land) kann man zur Zeit der Karnischen Krise vor rund 225 Millionen Jahren gut in den Sedimentgesteinen (tonige Sedimente, Sandsteine etc.), welche um die gesamte Tethys abgelagert wurden, nachweisen.
Primär ursächlich, aber noch diskutiert, für diese Erwärmung könnte der Zerfall von Pangaea zusammen mit den Orogenen Indonesiens und der Schliessung der Paläotethys gewesen sein.
Diese Aktivitäten haben zu vermehrtem Vulkanismus geführt, was wiederum zu vermehrtem Ausstoß von CO2 führte, und so nach heutigem Wissen erheblich die Temperatur erhöhte.
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Frage: Das Massensterben in den Meeren ereignete sich im Karn, einer Stufe der Triaszeit, und wird deswegen Karnische Krise genannt. Welche Tiergruppen waren davon besonders betroffen?
Antwort: Besonders traf es die Flachwasserorganismen wie Korallen, Stachelhäuter (Seeigel etc.), Bryozoen, Algen und Schwämme, aber eben auch die Ammoniten, welche ja etwas tiefere Meereszonen bewohnten.
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Frage: War diese Karnische Krise auch auf dem Festland spürbar, wo damals schon frühe Dinosaurier lebten?
Antwort: Ja, auch die Tetrapoden wurden dezimiert und die Landpflanzen- Vergesellschaftungen änderten sich. Bei den Tetrapoden spricht man von einem Rückgang 4 aus 6 Familien, die es betraf.
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Frage: Sie und Ihr Wissenschaftlerteam mit Experten aus acht Ländern erforschen die Karnische Krise im Taurus-Gebirge in Anatolien (Türkei). Welche Spuren hat das Massensterben vor 225 Millionen Jahren dort hinterlassen?
Antwort: Nach dem drastischen Absterben der Plattformen und Riffe kam es zu einem Massensterben von Ammoniten der Gattung Orthoceltites. Die nahezu schwarzen Kalke, in welchen sich bis zu 200 Millionen Ammoniten befinden, wurden direkt über den Plattformsedimenten abgelagert. Nach diesem „Event“ wurde das Becken sehr tief und Flysch-artige Sedimente des tieferen Wassere wurden abgelagert. Wie lange es dauerte, um solche Massen von Ammoniten abzulagern und wie es zu solchen Massenansammlungen kommen konnte, wird untersucht. Die Dauer der Karnischen Krise wird ja circa mit 2-3 Millionen Jahren veranschlagt. Man stelle sich das auf heutige Zeiten umgerechnet vor.
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Frage: Im Laufe der Erdgeschichte gab es mehrfach globale Massensterben in den Meeren und auf dem Festland. Kann sich etwas Derartiges auch in der Gegenwart oder Zukunft wiederholen?
Antwort: So etwas kann sich natürlich immer wiederholen. Zum Beispiel durch einen Meteoriteneinschlag wie schon „oft“ in der Erdgeschichte. Der Sternenhimmel wird jedoch so gut untersucht und gescannt, dass das wahrscheinlich nicht in nächster Zeit passieren dürfte. Langfristige Veränderungen wie großräumiger Vulkanismus etc., die zu solchen Krisen führen könnten, sind zur Zeit nicht in Sicht. Wie sich jedoch die Methaneisfelder an den Schelfen der Meere in der Zukunft, bei zum Beispiel weiterer Erderwärmung verhalten, ist noch ungewiss.
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Frage: Momentan wird viel über eine befürchtete Klimaerwärmung und oft über Klimaschutz gesprochen. Vergisst man dabei, dass sich das Klima im Laufe der Erdgeschichte immer wieder geändert hat und auch künftig ändern wird?
Antwort: Die Klimaerwärmung ist da und wird noch fortschreiten, auch dann, wenn man jetzt Schnee sieht, wenn man aus dem Fenster schaut. Alle Berichte, ob von der Arktis, der Antarktis, ja von jedem Gletscherinstitut sprechen klar für eine Erwärmung. Und zwar schneller, als uns das lieb sein kann. Geändert hat sich das Klima im Laufe der Erdgeschichte immer wieder und auch künftig wird es sich ändern, das tröstet aber nur wenig, wenn wir sozusagen die Natur überholen.
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Frage: Vor rund 10.700 Jahren ging das letzte Eiszeitalter zu Ende. Darauf müsste doch eigentlich eine Warmzeit folgen und danach wieder irgendwann eine Kaltzeit? Oder ist dieser natürliche Klimawandel nicht mehr wirksam?
Antwort: Es läuft eigentlich, wie es in der Erdgeschichte immer lief. Einfach ausgedrückt, auf warm folgt kalt. Der Mensch kann nur in gewissem Maße die Richtung etwas beschleunigen, der Erde ist das aber im wahrsten Sinne des Wortes egal. Der Mensch wird sich halt was einfallen lassen müssen.
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Frage: Sie sind einer der wenigen Wissenschaftler, denen es gelungen ist, vom österreichischen FWF, dem Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, als Projektleiter für zwei große Projekte bestimmt zu werden. Worum geht es bei Ihrem anderen großen Forschungsprojekt?
Antwort: Bei meinem zweiten FWF-Projekt geht es um das Klima und die Umwelt zur Kreidezeit in den Dolomiten Südtirols. Ein Zeitraum von circa 140-110 Millionen Jahren wird dabei in all seinen Details untersucht. Seit nun 2 Jahren forschen dort mit modernsten Methoden an die 20 Wissenschafter/innen aus 10 Nationen an verschiedenen Problemstellungen. Isotopen-Analysen, Geochemie und Paläomagnetik sind nur einige Beispiele der Methodik. Natürlich werden auch viele Makro-, Mikro- und Nanno-Fossilgruppen untersucht. Besonders eng arbeiten wir dabei mit dem Naturmuseum Südtirol in Bozen zusammen.
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Frage: Kann die Paläontologie, die Lehre vom Leben in der Urzeit, wertvolle Antworten auf Fragen über die Klimaentwicklung der Zukunft geben?
Antwort: Vergleiche sind natürlich immer möglich. Man darf jedoch auch bei aller Euphorie nicht vergessen, dass manche Parameter in der Erdgeschichte einfach andere waren. So zum Beispiel der Sauerstoffgehalt der Luft (zeitweise um das 10-fache erhöht) oder der CO2 Gehalt der Luft (durch Vulkanismus). Das CO2 stellt natürlich auch in heutiger Zeit ein Mega-Problem für die Zivilisation dar, das ist korrekt. Dieses Problem ist allerdings hausgemacht.
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Die Fragen für das Interview stellte der Wiesbadener Wissenschaftsautor Ernst Probst, der zahlreiche populärwissenschaftliche Bücher veröffentlicht hat und das Weblog http://internet-zeitung.blogspot.com betreibt
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Kontakt:
Dr. Mag. Alexander LUKENEDER
Kurator - Mesozoikum
Geologisch-Paläontologische Abteilung
Naturhistorisches Museum Wien
Burgring 7
A-1010 Wien
e-mail: alexander.lukeneder (at) nhm-wien.ac.at
Tel: 521777/251
Homepage: http://www.nhm-wien.ac.at/NHM/Geolog/lukeneder.htm